Fünfzehn Jahre lang haben meine Frau und ich unsere Hausarztpraxis gemeinsam geführt, unzählige Menschen behandelt, zugehört, getröstet. Vor wenigen Tagen haben wir nun unsere Praxistür ein letztes Mal abgeschlossen und die Schlüssel an unseren Nachfolger übergeben – nicht, weil wir mußten, sondern weil wir es wollten. Wir haben unseren Traum wahr gemacht: Alles verkauft um uns mit unserem Weltreisemobil auf eine lange Reise durch die Natur Skandinaviens zu begeben. Warum wir das tun? Weil ich in all den Jahren als Arzt eines gelernt habe:
Warte nicht, bis es zu spät ist!
Der Countdown läuft: Nur noch 4 Wochen
Jeden Morgen, wenn ich jetzt die Praxistür aufschließe, weiß ich: Bald wird sich dieses Schloss ein letztes Mal drehen.
Unsere Patienten kennen unsere Entscheidung inzwischen. Manche freuen sich für uns, andere schauen mich an, als hätte ich ihnen gesagt, ich wolle auf den Mond auswandern.
„Aber Herr Doktor, Sie sind doch noch gar nicht so alt!“ höre ich oft.
Nein, bin ich nicht. Aber genau das ist der Punkt.
Warum wir diesen Schritt gehen
Meine Frau und ich haben fünfzehn Jahre lang Seite an Seite gearbeitet. Wir haben Diagnosen gestellt, Wunden versorgt, Ultraschallbilder betrachtet, Medikamente erklärt, Menschen getröstet – und in unzählige dankbare, manchmal verzweifelte Gesichter gesehen.
Seitdem hat sich das Gesundheitssystem deutlich gewandelt – in vielen Fällen nicht zum Positiven – wie viele oft am eigenen Leib erfahren müssen.
Lange Wartezeiten auf Facharzttermine, Hausarztpraxen die keine Patienten mehr aufnehmen können, überlastete Telefonanlagen, schwierige Verhältnisse in Krankenhäusern und verstopfte Notaufnahmen sind nur einige Stichworte des heutigen „normal“.
Aber auch für Ärzte hat sich die Situation nicht zum Besseren verändert: Immer schlechtere Vergütung, ein Hamsterrad das sich immer schneller dreht, 5-Minuten-Medizin, eine GOÄ die zuletzt 1996 angepaßt wurde (damals schon gab es für die Beratung eines Privatpatienten 10,72€, heute, knapp 30 Jahre später, sind es immer noch 10,72€), deutlich gestiegene Kosten überall (Löhne, Computersystem, Praxissoftware, Telematikinfrastruktur, Verbrauchskosten, Steuerberater, Versicherungen etc. pp.), ohne das sich die Möglichkeit ergibt, diese Kosten irgendwie „weiterzugeben“, da die Krankenkassen unsere Vergütung vorgeben. Zunehmende Alterung der Bevölkerung, Verrentungswelle bei Ärzten, Terminknappheit bei Fachärzten, führt immer mehr dazu, das man als Hausarzt heute als „Facharzt für Alles“ mißbraucht wird und das Hamsterrad sich immer schneller dreht. Von dem Zeitfresser der irrsinnigen Bürokratie, trotz „Digitalisierung“, möchte man gar nicht erst reden. Und die Aussicht, das dies erst die Spitze des Eisbergs ist, wenn man noch 5-10 Jahre in die deutsche Zukunft blickt.
Wenn dieser Beruf eine Tatsache lehrt, dann ist es das Wissen, das das Leben endlich ist und auch schnell Entscheidungen treffen kann, die so gar nicht in die eigene Lebensplanung passen. Krankheiten können Träume schnell und unabhängig vom eigenen Lebensalter platzen lassen.
Dabei stellte sich uns immer mehr die Frage, warum wir das Ganze eigentlich noch machen.
Unser Traum ist schon lange der hohe Norden mit seiner wilden Einsamkeit, rauen Natur und herzlichen Menschen. Diese Region bereisen wir schon seit mehr als 2 Jahrzehnten, zuletzt in unserem 4×4-Weltreisemobil. Und immer, wenn sich der Urlaub dem Ende neigte, hatten wir auf der Heimreise das Gefühl, in die falsche Richtung zu fahren, als würde ein Gummiband uns umso stärker zurückziehen, je weiter wir uns entfernten.
Nachdem dieses deutsche Gesundheitssystem in den letzten Jahren immer weniger das widerspiegelt, weshalb wir unsere Berufe vor vielen Jahren ergriffen haben und unsere Kinder mittlerweile aus dem Haus sind, haben wir beschlossen, unseren lange gehegten Traum nun umzusetzen.
Wir lassen alles hinter uns, lösen uns von den Fesseln des KV-Systems und starten in unserem 4×4-Weltreisemobil auf eine Reise ohne Rückfahrkarte in den Norden. Wir sind gespannt, welche Abenteuer uns dort erwarten und was das Schicksal für uns bereithält. Auch unsere berufliche Zukunft liegt noch im Ungewissen – wir sind aber sicher, das sich irgendwo wieder ein Platz für uns findet. Ob dies nochmal im Gesundheitssystem sein wird, wissen wir auch noch nicht. Offen sind wir für vieles, um unserem Leben eine neue, positive Richtung zu geben.
Aber vor allem haben wir erlebt, wie schnell sich ein Leben verändern kann:
Der fitte 55-Jährige mit der geplanten Weltreise, der nach einem Schlaganfall nicht mehr gehen konnte.
Die Frau, die „nur noch ein paar Jahre arbeiten“ wollte, bevor sie sich einen Camper kaufte – und dann die Diagnose Krebs erhielt.
Die ältere Dame, die mir sagte: „Herr Doktor, ich hätte das alles früher machen sollen.“
Diese Begegnungen haben uns gezeigt: Das Leben wartet nicht auf uns.

Die Illusion vom perfekten Zeitpunkt
Wir alle kennen die Sätze:
„Noch ein bisschen sparen.“
„Noch, bis die Kinder aus dem Haus sind.“
„Noch, bis es im Job ruhiger wird.“
Doch der perfekte Zeitpunkt kommt selten von allein. Er muss gemacht werden.
Unsere Entscheidung fiel nicht von heute auf morgen. Wir haben gerechnet, diskutiert, gehadert. Wir haben uns gefragt: Können wir wirklich alles hinter uns lassen?
Und dann haben wir uns gefragt:
Was ist der Preis, wenn wir es nicht tun?
Die Antwort: Ein Leben voller „Hätte ich doch“.
Unser Ziel: Freiheit im Norden
Nun folgen wir unseren Herzen und starten mit unserem Reisemobil Richtung Norden. Norwegen, Schweden und Finnland bieten uns noch viele Entdeckungen, auf die wir schon jetzt gespannt sind.
Wir wollen unter der Mitternachtssonne stehen, im klaren Wasser der Seen schwimmen, in Wäldern übernachten, die so still sind, dass man seinen eigenen Herzschlag hören kann.
Wir wissen, dass nicht alles perfekt wird. Es wird Regentage geben, Pannen, kalte Nächte.
Aber dieses Abenteuer ist unser Abenteuer – und das ist mehr wert als jede Garantie.
Was ich als Arzt gelernt habe
In meiner Arbeit habe ich viel Medizin gemacht – aber auch viel Lebensberatung.
Oft waren meine besten Rezepte keine Tabletten, sondern Worte wie:
„Warten Sie nicht auf später.“
„Machen Sie es einfach jetzt.“
„Rufen Sie die Person an, an die Sie denken.“
Ich habe zu oft gesehen, wie Krankheiten kommen und Pläne zerstören.
Ich habe aber auch gesehen, wie Menschen, die mutig ihren Weg gehen, aufblühen.
Diese Erfahrungen haben mir zwei Dinge unmißverständlich klar gemacht:
Das Leben ist endlich.
Wir sind selbst verantwortlich, es zu füllen.
Warum wir jetzt – und nicht später – losfahren
Viele sagen: „Ihr hättet doch noch ein paar Jahre arbeiten können, um noch mehr Sicherheit zu haben.“
Aber Sicherheit ist trügerisch. Gesundheit kann von heute auf morgen verschwinden.
Wir wollen uns später nicht fragen: „Warum haben wir nicht früher angefangen?“
Darum fahren wir jetzt – mit offenen Augen, offenem Herzen und einer großen Portion Abenteuerlust.
Meine Botschaft an Dich
Vielleicht denkst Du jetzt: „Das klingt toll, aber bei mir geht das nicht.“
Ich möchte Dir sagen: Es geht nicht immer um einen großen Schritt.
Es geht darum, Deinen Traum nicht aus den Augen zu verlieren – egal, wie groß oder klein er ist.
Drei Gedanken, die mich leiten:
Träume altern auch – wenn man sie nicht lebt, sterben sie.
Mut kommt nicht vor der Entscheidung – er kommt, wenn man losgeht.
Es ist nie zu früh, um anzufangen – aber oft zu spät, wenn man wartet.
Abschied und Aufbruch
Wir verabschieden uns von unseren Patienten, packen Kisten, verkaufen Möbel, regeln Formalitäten. Besonders die letzten Tage und Wochen waren sehr emotional – für uns wie für viele Patienten. Tränen sind auf beiden Seiten geflossen. Ganz besonders schwer war der Abschied von unserer langjährigen MFA, die uns über die lange, gemeinsam gegangene Zeit wie ein Familienmitglied ans Herz gewachsen ist.
Ganz herzlich möchten wir uns auch für die vielen guten Wünsche und Abschiedsgeschenke bedanken!
Es ist ein Wechselbad der Gefühle – Wehmut und Vorfreude, Abschied und Aufbruch.
Aber jedes Mal, wenn wir abends zusammensitzen und über unsere ersten Ziele sprechen, spüren wir:
Es war die richtige Entscheidung.
Dein Leben, dein Zeitpunkt
Ich schreibe das nicht, um zu sagen, dass jeder alles aufgeben und in ein Reisemobil ziehen sollte.
Ich schreibe es, weil ich gesehen habe, wie schnell sich alles ändern kann – und wie sehr Menschen bereuen, etwas nicht getan zu haben.
Vielleicht ist Dein Traum kleiner. Vielleicht größer.
Aber er ist es wert, dass Du ihn ernst nimmst.
Warte nicht, bis Du gezwungen bist, innezuhalten.
Warte nicht auf „bessere Zeiten“.
👉 Lebe jetzt und mach´s einfach!